Grußbotschaft des Bundespräsidenten
Anlässlich der 4. Teils des Weges der Erinnerung in der Leopoldstadt am 17.5.2009
Sehr geehrte Frau Generalsekretärin,
Geschätzte Anwesende!
Ich möchte Ihnen zunächst auf diesem Weg meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen, dass Sie heute hier zusammengekommen sind, um 24 neue Stationen im Rahmen des bemerkenswerten Projektes „Steine der Erinnerung“ zu eröffnen. Ich bin im Gedanken bei Ihnen, aber eine schon lang vereinbarte Terminverpflichtung hat es verhindert, Ihrer freundlichen Einladung persönlich Folge zu leisten.
Sehr geehrte Damen und Herren!
Es ist uns allen bewusst, dass in der europäischen Geschichte das jüdische Volk durch Verfolgung, Vertreibung und Ghettoisierung immer wieder an den Rand der Existenz getrieben wurde. Der Holocaust im 20. Jahrhundert war dann der menschheitsgeschichtlich schrecklichste, grausamste, umfassend geplante Höhepunkt einer Barbarei, die bis heute gegenwärtig ist, und die uns unauslöschlich in Erinnerung bleiben wird.
Dieses grauenhafte Geschehen, der Verlust jeglicher Humanität, geschah aber nicht irgendwo, weit weg von uns, in einem ganz anderen Land. Nein, es geschah hier. Mitten in Österreich, mitten in der Bundeshauptstadt Wien, auch mitten im 2. Wiener Gemeindebezirk.
Sie sind heute hergekommen, um jener zu gedenken, die hier, in der Leopoldstadt, gelebt haben und die mit der Machtergreifung Hitler-Deutschlands über Nacht ihrer Rechte, ihrer Würde und zuletzt auch in schrecklicher Weise ihres Lebens beraubt worden sind.
Es ist das große Verdienst des Vereins „Steine der Erinnerung“ und seiner Generalsekretärin, Frau Dr. Elisabeth Ben David-Hindler, dem Vergessen oder Verdrängen dieser furchtbaren Ereignisse entgegen zu wirken. Schon vor einigen Jahren hat der Verein begonnen, den jüdischen Bewohnerinnen und Bewohnern in verschiedenen Bezirken Wiens einen „Weg der Erinnerung“ zu bahnen. Die Form, die gewählt wurde, ist bemerkenswert. Es wird eine Messingtafel ins Pflaster gesetzt, versehen mit dem Namen und dem Schicksal eines Menschen und – wenn bekannt – das Datum seines Todes bzw. der Ermordung. Es ist dies ein nicht hoch genug einzuschätzender Beitrag der Rekonstruktion jüdischen Lebens vor und nach den Schrecken des Nationalsozialismus.
Ich halte es für ein gutes Zeichen, dass sich viele Menschen im In- und Ausland für diese Form des Gedenkens interessieren und mit großer Anteilnahme daran mitgearbeitet haben. Es ist dies auch insofern bedeutsam, als die „Steine der Erinnerung“ gerade der Jugend ein Stück österreichischer und damit auch ihrer Geschichte vor Augen führen und ein Gespräch zwischen den Generationen ermöglichen.
Die Aufarbeitung unserer unmittelbaren Vergangenheit ist nach wie vor – und das sage ich mit tiefer Überzeugung und mit großem Nachdruck – ein wichtiges Element der politischen Kultur in Österreich.
Ich bin dem Verein „Steine der Erinnerung“, Frau Generalsekretärin Elisabeth Ben David-Hindler und allen, die sich ihr angeschlossen haben, dankbar für diese zutiefst berührende Form des Gedenkens. Ich bin sicher, dass daraus für die Zukunft auch Kräfte zur Versöhnung und Frieden wachsen werden.
Ich möchte allen, die heute gekommen sind und allen, die zu dieser Veranstaltung ihren Beitrag geliefert haben, Dank sagen. Sie haben an einem Werk des Erinnerns mitgewirkt, das nichts ungeschehen machen, aber den betroffenen Menschen ein Stück ihrer Würde zurückgeben kann.
Ich wünsche Ihnen eine gelungene, besinnliche Gedenkveranstaltung!