Orte der Deportation, Zwangsarbeit, Misshandlungen und Ermordung von Wiener Jüdinnen und Juden
Ein alphabetisches Verzeichnis erstellt von Rudolf Forster, ehrenamtlicher Mitarbeiter bei „Steine der Erinnerung“
Dieses Verzeichnisses beinhaltet eine alphabetisch angeordnete Charakterisierung der am Holocaust-Denkmal am Wiener Judenplatz angeführten 45 Orte, in die österreichische Jüdinnen und Juden während der nationalsozialistischen Herrschaft deportiert wurden, durch Zwangsarbeit ausgebeutet, durch brutale Wachen misshandelt und an denen sie schließlich in ihrer überwiegenden Mehrzahl ermordet wurden. Da auf dem Holocaust-Denkmal nicht alle diesbezüglichen Orte vorkommen, werden wir sie im Anlassfall ergänzen (die ergänzten Orte werden durch * markiert).
Diese Charakterisierung basiert auf nüchternen Fakten, hinter denen das Grauen erahnbar ist – es zu beschreiben ist außer für Betroffene selbst ohnedies kaum möglich. Nach einer zeitlich/örtlichen Information stehen die (sich wandelnden) Funktionen der einzelnen Orte und das von den Funktionen bestimmte Schicksal der Opfer im Vordergrund. Soweit aus der uns bekannten Literatur verfügbar, werden auch nähere Angaben zu den aus Wien erfolgten Deportationen gemacht. Einige der ausgewählten Orte, an denen bestimmte Charakteristika besonders hervortreten oder die für die Wiener Jüdinnen und Juden eine besonders schicksalshafte Bedeutung gewannen, werden ausführlicher behandelt.
Das Verzeichnis ist vom Bemühen getragen, sich auf die durch die historische Forschung belegten Fakten zu konzentrieren. Es wird unsererseits laufend ergänzt, bei Bedarf auch korrigiert. Etwaigen Hinweisen auf fehlende Informationen, fehlerhafte oder missverständliche Teile oder auch auf neuere Forschungsergebnisse werden wir bereitwillig nachgehen und entsprechende Veränderungen vornehmen.
Hauptsächliche Quellen:
Wolfgang Benz und Barbara Distel (Hg.): Der Ort des Terrors. München: C.H: Beck, 9 Bände, 2008
Wolfgang Benz (Hg): Lexikon des Holocaust. München: C.H. Beck 2002
Dieter J. Hecht, Eleonore Lappin-Eppel, Michaela Raggan-Blesch: Topographie der Shoah. Wien: Mandelbaum Verlag, 3. Auflage, 2017
Auschwitz – Birkenau (Oświęcim, Polen)
Belzec (Polen)
Bergen-Belsen (Deutschland)
Brcko (Bosnien-Herzegovina)
Buchenwald (Deutschland)
Chelmno/Kulmhof (Polen)
Dachau (Deutschland)
Flossenbürg (Deutschland)
Groß-Rosen (Rogoznica, Polen)
Gurs (Frankreich)
Hartheim (Alkoven) (Österreich)
Izbica (Polen)
Jasenovac (Kroatien)
Jungfernhof (Lettland)
Kaiserwald/Riga (Lettland)
Kielce (Polen)
Kaunas/Kowno (Litauen)
Łódź/Litzmannstadt (Polen)
Majdanek/Lublin (Polen)
Maly Trostinec (Weißrussland)
Mauthausen und Gusen (Österreich)
Minsk (Weißrussland)
Mittelbau-Dora (Deutschland)
Modliborzyce (Polen)
Natzweiler-Struthof (Schirmeck, Frankreich)
Neuengamme (Deutschland)
Nisko am San (Polen)
Opatów und Łagów (Polen)
Opole (Polen)
Piaski (Polen)*
Ravensbrück (Deutschland)
Rejowiec (Polen)
Riga (Lettland)
Šabac und Sajmište (Serbien)
Sachsenhausen (Deutschland)
Salaspils (Lettland)
San Sabba/Triest (Italien)
Sobibór (Polen)
Stutthof (Sztutowo, Polen)
Theresienstadt (Terezin, Tschechien)
Trawniki (Polen)
Treblinka (Polen)
Wien – Am Spiegelgrund* (Wien/Österreich)
Wlodawa (Polen)
Zamosc (Polen)
Auschwitz – Birkenau (Oświęcim, Polen): Konzentrations- und Vernichtungslager im „Gau Oberschlesien“ (durch das Deutsche Reich annektiertes Gebiet). Am 14.6.1940 formell eröffnet bestand das Lager mit seinen zahlreichen Nebenlagern bis 27.1.1945 (Befreiung durch die Rote Armee).
Funktion und Bilanz: Nach Auschwitz wurden ca.1.100.000 Juden und Jüdinnen aus dem durch Annexionen erweiterten deutschen Reich sowie aus fast allen vorübergehend eroberten und besetzten Gebieten deportiert. Von diesen ca. 1,1 Millionen Menschen wurden fast eine Million ermordet oder anderweitig zu Tode gebracht. Die Zahl der nicht-jüdischen Opfer in Auschwitz betrug ca. 100.000 von ca. 200.000 Deportierten. Auschwitz ist damit gleichsam ein Synonym für den Holocaust geworden. Eingebrannt in das Gedächtnis der Nachwelt hat sich das Bild der Selektion auf der Rampe: SS-Lagerärzte(!) musterten die Ankommenden, stellten allenfalls ein paar kurze Fragen, fällten dann in Sekundenschnelle das Urteil nach dem Kriterium der Arbeitsfähigkeit und deuteten mit einer Handbewegung die von den Angekommenen einzuschlagende Richtung: Die große Mehrheit, insbesondere für Alte, Kranke, Kinder, Frauen mit Kleinkindern und schwangere Frauen, wurden nach links gewiesen; ihr Weg führte direkt in die als „Brausekabinen“ getarnten Gaskammern, wo die Eingeschlossenen einen qualvollen Erstickungstod starben. „Sonderkommandos“ von Häftlingen mussten dann die Leichen aus den Gaskammern zerren, Goldzähne und Haare entfernen, die Leichen anfänglich in Gruben verscharren und später in abseits gelegenen Krematorien verbrennen. Für die Minderheit der nach rechts Gewiesenen führte der Weg von einer entwürdigenden und brutalen Aufnahmeprozedur zur Haft unter elenden Lebensbedingungen, ständigem Terror und schwerster Arbeit. Sie waren fortan eine Nummer, wobei diese nur im KZ Auschwitz zusätzlich auf den Unterarm tätowiert wurde. Auch für sie war der Tod allgegenwärtig. Ihre durchschnittliche Lebenserwartung betrug wenige Monate, etwa die Hälfte starb bis zur Befreiung an Hunger, Erschöpfung, Krankheit, sowie durch regelmäßige Selektionen und Ermordung mittels Phenolspritzen ins Herz, durch eine Kugel in der Genickschussanlage oder Ersticken in der Gaskammer. Auch medizinische Experimente an Häftlingen wurden durchgeführt und endeten oft mit deren Tod.
Die Entwicklung des KZ Auschwitz hin zur Vernichtungsanstalt vollzog sich in Etappen:
- Am Beginn stand die Idee einer brutalen „Germanisierung“ der Region Ost-Oberschlesien. Überfüllte Gefängnisse führten bald zum Plan der Errichtung eines KZ. Als Standort gewählt wurde ein ehemaliges Arbeiterlager in der kleinen Stadt Auschwitz (Von ca. 14.000 Bewohner_innen waren 60% jüdisch). Das KZs Auschwitz war zunächst als eine auf Dauer angelegte Haft-, Folter- und Exekutionsstätte für polnische Staatsbürger gedacht.
- Bald wurden die Pläne erweitert um Produktionsstätten und landwirtschaftliche Betriebe. Die Bewohner der umliegenden Dörfer wurden vertrieben; die SS steckte für ihre Vorhaben ein „Interessengebiet“ von ca. 40km2
- Bei der Standortsuche für die Erweiterung des Chemiekonzerns IG Farben, der auch kriegsrelevante Güter produzierte, fiel die Wahl auf Auschwitz, nicht zuletzt durch die Verfügbarkeit billiger Arbeitskräfte im KZ. Daraus entstand eines der größten Industrieprojekte des 3. Reiches. Auschwitz wurde zur „Musterstadt“ im Osten erklärt, die jüdische Bevölkerung deportiert, die polnische umgesiedelt, Mitarbeiter der IG Farben mit ihren Familien neu angesiedelt. Die geplante Kapazität des KZs wurde von 10.000 auf 30.000 Häftlinge erweitert. Weiters sollte im angrenzenden Birkenau ein „Kriegsgefangenenlager“ mit bis zu 100.000 Personen errichtet werden sowie ein Außenlager mit 10.000 Plätzen für den Bau des IG-Farbenwerkes in Monowitz. Daraus entstanden schließlich drei getrennt verwaltete Lager (Auschwitz I, II und III). Auschwitz-Birkenau diente nie als Kriegsgefangenenlager, sondern von Anfang an als Vernichtungslager für die massenhafte Ermordung von Jüdinnen und Juden aus ganz Europa. Die Gaskammern in Birkenau wurden im Frühjahr 1942 in Betrieb genommen, etwa zur gleichen Zeit wie die in Sobibor und Treblinka errichteten Gaskammern.
- Die Mehrheit der Häftlinge war zunächst für die Erschließungs- und Bauarbeiten bei der Erweiterung des Lagers eingesetzt, weiters für die Versorgung des Lagers und in Werkstätten. In den Jahren 1940/41 waren fast ausschließlich polnische Gefangene im KZ. Die Zahl jüdischer Gefangener lag bei maximal 1500. Ab 1942 (nach dem Beschluss zur Vernichtung des europäischen Judentums) wurden zunehmend Jüdinnen und Juden aus Polen und aus anderen besetzten Ländern nach Auschwitz deportiert; ab Mitte 1942 stellten sie den weitaus größten Anteil. Bis Mitte 1942 wurden jüdische Deportierte ausnahmslos unmittelbar nach Ankunft ermordet, ab dann erfolgte eine Selektion nach Arbeitsfähigkeit. Auschwitz wurde zum zentralen Ort der „Endlösung“, ein Vernichtungslager kombiniert mit einem auf Zwangsarbeit ausgerichteten KZ.
Bis Ende 1942 wurden fast 200.000 Jüdische Menschen nach Auschwitz deportiert, im Jahr 1943 ca. 270.000, im Jahr 1944 stieg die Zahl auf 600.000 an. Etwa zwei Drittel der nach Auschwitz Deportierten waren ungarische (438.000) oder polnische Juden (300.000). Von Wien nach Auschwitz führte ein großer Transport am 17.7.1942 mit 995 jüdischen Personen und mehrere kleinere Transporte bis 1944 (insgesamt 1567 Personen). Die meisten der in Auschwitz ermordeten Wiener Jüdinnen und Juden (in Summe ca. 4000) kamen aber via Theresienstadt (siehe dort).
Birkenau war auch die hauptsächliche Vernichtungsstätte für Sinti und Roma. In einem eigenen „Zigeunerlager“ wurden zwischen 26.2.1943 und 1.8.1944 mehr als 23.000 aus mindestens 11 Ländern nach Auschwitz deportiert, von denen ca. 19.200 infolge der widrigen Lebens- und Arbeitsbedingungen oder in den Gaskammern umkamen.
Sowjetische Juden wurden nicht nach Auschwitz deportiert, sondern von eigenen Einsatzgruppen vor Ort getötet. Allerdings wurden ca. 15.000 sowjetische Kriegsgefangene nach Auschwitz verschleppt, die noch schlechter als die anderen Häftlinge behandelt wurden und nicht überlebten.
In Auschwitz bildeten sich mehrere Widerstandsgruppen, auch eine explizit jüdische. Am 7.10.1944 fand im Bereich der Sonderkommandos ein Aufstand statt, den keiner der Häftlinge überlebte, bei dem aber auch drei SS-Leute getötet und 12 verwundet wurden. Eine Gaskammer konnte bis Kriegsende nicht mehr genutzt werden. Darüber hinaus sind über 800 Fluchtversuche bekannt. Auch gelang es, Berichte über die Massenvernichtung nach außen zu schmuggeln, die an die polnische Exilregierung gelangten.
Die Evakuierung des KZ-Komplexes Auschwitz begann bereits ab August 1944. Bis Januar 1945 wurden ca. 65.000 als arbeitstauglich eingeschätzte Gefangene in mehr als 10 KZs im „Altreich“ überstellt. Im November 1944 wurden die Morde in den Gaskammern eingestellt, um diese zu zerstören. Von den 67.000 im Januar 1945 verbliebenen Häftlingen wurden 58.000 vom Hunger und Ausbeutung gezeichnete, schlecht bekleidete Häftlingskolonnen in „Todesmärschen“ durch Ober- und Niederschlesien getrieben, bei denen zwischen 9.000 und 15.000 erschossen oder erschlagen wurden oder an Erschöpfung starben. Die Befreiung in Auschwitz erlebten nur ca. 7.000 Häftlinge.
Belzec (Polen): Eines von drei zur sofortigen Ermordung von Jüdinnen und Juden dienenden Vernichtungslagern der „Aktion Reinhardt“ im okkupierten „Generalgouvernement“ neben den KZs Sobibor und Treblinka. Die Aktion ist benannt nach Reinhard (sic!) Heydrich: Er war Chef des Reichssicherheitshauptamtes und u.a. Organisator der „Wannsee-Konferenz 1942, bei der die jeweiligen Rollen aller relevanten Organisationen des NS-Staates bei der Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden mit all deren Repräsentanten akkordiert wurde. Heydrich starb in Folge eines Attentats in Prag im Mai 1942. Belzec bestand von November 1941 bis Frühling 1943. Danach erfolgte die Abwicklung und Spurenvernichtung. Belzec diente als „Modell“ für die beiden anderen Vernichtungslager, daher erfolgt an diesem Beispiel eine genauere Charakterisierung: Errichtet in dünn besiedelten Gebieten in der Nähe von Eisenbahnlinien war das Lager eher klein. Zur Anwendung wurde eine neue, entpersönlichte Methode der Massentötung gebracht: die Vergiftung in Gaskammern, die zuvor im „Euthanasieprogramm“ (Ermordung von unheilbar kranken und behinderten Personen) im Deutschen Reich mit Gaswagen und in Gaskammern angewendet worden war – anfangs nicht durch giftiges Gas (Zyklon B) sondern durch Kohlenmonoxyd (Abgase von Verbrennungsmotoren), das zur Erstickung führte. In jedem Lager waren nur ca. 20 bis 30 Mann deutsches Personal zur Organisation und Überwachung eingesetzt. Je ca. 100 bis 120 Mann überwiegend ukrainische „Freiwillige“ trieben die aus den Zügen taumelnden Menschen zunächst in Auskleide-Kabinen, wo ihnen auch Geld und Wertsachen abgenommen und die Frauen rasiert wurden, und trieben sie dann nackt unter Schlägen und Beschimpfungen durch enge Gänge in Richtung der Gaskammern. Der Todeskampf der Opfer dauerte 20 bis 30 Minuten. Eile, Terror und Täuschung ermöglichten einen relativ „reibungslosen“ Ablauf der Mordaktionen. Die nicht gehfähigen Personen waren bereits vorher abgesondert und abseits erschossen worden. Selektiert wurden auch jüngere (noch) kräftige jüdische Männer als Arbeitssklaven: Sie mussten die Züge und Gaskammern reinigen, Gepäck, Kleidung und Wertsachen der Ermordeten sortieren und verpacken, die Leichen aus den Gaskammern holen, in große Gruben schlichten und mit Erde bedecken. Vorher wurden den Ermordeten noch Goldzähne ausgebrochen und Ringe von den Fingern gezogen. Die Mitglieder dieser im Durchschnitt ca. 1.000 Personen umfassenden „Sonderkommandos“ wurden ihrerseits periodisch ermordet und ersetzt. Als die Geruchsentwicklung durch die verwesenden Leichen weit über die Lager hinaus zu einem Problem wurde, ging man zur Verbrennung der Leichen über. Als später die russischen Truppen Richtung Westen vordrangen, mussten „Arbeitsjuden“ die halbverwesten Leichen wieder exhumieren und verbrennen,
Die Zahl der in Belzec Ermordeten beträgt ca. 500.000 Menschen, darunter 434.508 jüdischer Herkunft.
Bergen-Belsen (Deutschland): Konzentrationslager im Gau Ost-Hannover. Zunächst Kriegsgefangenenlager, v.a. für sowjetische Soldaten, von denen ca. 20.000 an Hunger, Kälte und Krankheiten zugrunde gingen. Das KZ wurde erst im April 1943 in einem abgetrennten Teil des Lagers mit einer einzigartigen Funktionsbestimmung errichtet: (1) Es war gedacht als „Zivilinterniertenlager“ für „Austauschjuden“. Eine genau definierte Gruppe von Juden (überwiegend im Familienverband) sollte von der Vernichtung ausgenommen werden, um sie gegen im Ausland internierte deutsche Zivilisten, dringend benötigte Güter oder Devisen auszutauschen. Daher waren die Lebensbedingungen anfangs deutlich besser als in anderen KZs. Bis Dezember 1944 wurden fast 15.000 Jüdinnen und Juden aus unterschiedlichsten Ländern nach Bergen-Belsen gebracht. Eine Freilassung als Austauschgeiseln erlebte nur ein kleiner Teil dieser Gruppe. Die Verbliebenen gerieten immer mehr in den Sog der anderen Funktionen: (2) Ab März 1944 wurden in einem abgetrennten Teil kranke Häftlinge aus anderen KZs aufgenommen. Fehlende medizinische Behandlung, Hunger, harte Arbeit und Misshandlungen führten zu einer besonders hohen Sterblichkeit. (3) Im Sommer 1944 wurde ein weiterer Teil als Frauenlager eröffnet. Die Unterbringung erfolgte in Zelten. Rüstungsfirmen sollten hier geeignete Zwangsarbeiterinnen auswählen. Bis Ende 1944 wurden ca. 13.500 Frauen, überwiegend polnische und ungarische Jüdinnen nach Bergen-Belsen deportiert, viele mit ihren Kindern. (4) Ab Dezember 1944 wurden Evakuierungstransporte aus frontnahen KZs nach Bergen-Belsen geführt. Der Belag stieg in nur drei Monaten von ca. 15.000 auf annähernd 50.000 Häftlinge an. Unterbringungsmöglichkeiten, sanitäre Einrichtungen und Verpflegung waren völlig unzureichend. Der alles überlagernde Hunger prägte die letzten Monate. Bei der Befreiung am 15.4.1945 bot sich den britischen Soldaten ein Bild des Schreckens: Etwa 10.000(!) nicht bestatteter Leichen, dazu bis zum Skelett abgemagerte Häftlinge, von denen in den folgenden zwölf Wochen weitere ca.13.000, das waren ein Viertel der noch Verbliebenen, starben. Die Gesamtzahl der Opfer wird auf ca. 50.000 geschätzt.
Brcko (Bosnien-Herzegovina): Eines der vielen Sammellager für Serben, Roma und Juden, die im faschistisch-nationalen, von Deutschland und Italien gestützten „Unabhängigen Staat Kroatien“ 1941 als Zwischenlösung eingerichtet wurden. Im Land befanden sich auch einige hundert jüdische Emigrant_innen aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei. Überfüllung, katastrophale hygienische Bedingungen, Hunger und Krankheiten waren für die Sammellager kennzeichnend. Die Gefangenen mussten ausharren, bis die Ustascha-Leitung über ihr weiteres Schicksal entschieden hatte. Sie wurden dann häufig in eines von ca. 50 Lagern deportiert (das bedeutendste und gefürchtetste war Jasenovac, siehe dort), oft aber auch bei Vergeltungsaktionen ermordet. Die meisten Sammellager wurden 1941 oder 1942 wieder aufgelöst.
Buchenwald (Deutschland): Konzentrationslager bei Weimar im Gau Thüringen. Baulich nach dem Modell Sachsenhausen im Zuge der KZ-Neubauprojekte ab 1936 errichtet, organisatorisch nach dem Modell Dachau. Eröffnet am 15. Juli 1937, zunächst unter dem Namen KZ-Ettersberg, nach Einspruch der Weimarer „NS-Kulturgemeinde“ umbenannt in KZ Buchenwald. Die Torinschrift lautete: „Jedem das Seine“. Geplant als Teil einer eigenständigen SS-Vorstadt von Weimar bestand das KZ schließlich bis 11.4.1945 (Übernahme durch Häftlinge; Befreiung durch die US-Armee).
Funktion: Haft- und Hinrichtungsstätte sowie Zwangsarbeit – zunächst für den Betrieb des KZ und den Kriegsbedarf der Waffen-SS, ab 1943 für die Rüstungsindustrie. Am Ende gab es mehr als 100 Außenkommandos und Nebenlager. Inhaftiert waren zunächst politische Gegner des Naziregimes, vorbestrafte Kriminelle, sogenannte Asoziale, „Bibelforscher“ (= Zeugen Jehovas), Homosexuelle; Juden (überwiegend in Verbindung mit anderen Merkmalen), „Zigeuner“. Letztere waren zusammen mit den Juden härtester Zwangsarbeit und besonderen Quälereien und Misshandlungen ausgesetzt. Immer wieder entstanden in Buchenwald eigene „Sonderzonen“, z.B. für Juden nach der Reichspogromnacht 1938 oder für die aus Wien (Haftort: Stadion) im Sept. 1939 überstellten Juden, sowie eigene Sonderhaftstätten (z.B. für prominente Häftlinge und Angehörige der Attentäter des 20. Juli 1944). Ab dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Buchenwald zu einem Sammelbecken von Menschen aus allen von Deutschland besetzten Ländern – vorwiegend politischen Häftlingen (Widerstandskämpfer) und Zwangsarbeitern (vorwiegend sowjetischer und polnischer Herkunft) und ab Mitte 1944 auch von (vorwiegend polnischen und ungarischen) Jüdinnen und Juden. In Buchenwald fanden auch (geheime) Massenexekutionen von sowjetischen Kriegsgefangenen, polnischen Offizieren und Geheimdienstangehörigen der Alliierten in einer eigens errichteten „Genickschusssanlage“ statt (Schätzungen ergaben mindestens 7.000 Opfer). Kranke Häftlinge wurden regelmäßig ausgesondert und in den „Euthanasieanstalten“, in Vernichtungslagern oder auch im lagereigenen Krankenbau ermordet. Weiters fanden in Buchenwald medizinische Experimente statt, die oft mit dem Tod der Häftlinge endeten.
Ursprünglich für 8.000 Häftlinge geplant wurde das KZ Buchenwald im Januar 1945 mit einem Häftlingsbestand von 110.560 und einem Personalbestand von 6297 zum größten KZ auf deutschem Boden. Jede weitere Phase der Überbelegung bedeutete eine weitere Verschlechterung der Lebensbedingungen und Verringerung der Überlebenschancen, vor allem für die am meisten diskriminierten Häftlingsgruppen. Durch die Evakuierungsaktionen in den KZs Auschwitz und Groß Rosen stieg der Anteil der jüdischen Häftlinge, die am Ende mit ca. einem Drittel die größte Häftlingsgruppe bildeten. Ab 7. April 1945 wurde das Stammlager geräumt, sukzessive auch die Außenlager. In Summe mindestens 38.000 ungenügend bekleidete, kaum mit Nahrung versorgte Häftlinge wurden in Marsch gesetzt. Ziele dieser „Todesmärsche“ (etwa ein Drittel der Häftlinge wurde ermordet oder starb an Erschöpfung) waren die KZs Dachau und Flossenbürg sowie das Ghetto Theresienstadt. Insgesamt wurden im KZ Buchenwald ca. 266.000 Menschen aus ganz Europa inhaftiert, von denen ca. 56.000 zu Tode kamen bzw. ermordet wurden.
Chelmno/Kulmhof (Polen): Vernichtungsstätte in einem Gut des Dorfes Kolo im „Gau Wartheland“ (durch das Deutsche Reich annektiertes Gebiet). Bestand von Dezember 1941 bis April 1943; Funktion: Ermordung von Jüdinnen und Juden sowie Sinti und Roma aus dem Ghetto Łódź/Litzmannstadt, später der jüdischen Bevölkerung aus dem gesamten Gau. Die Tötung erfolgte unmittelbar nach der Ankunft in Gaswagen (Erstickungstod). Die Gesamtzahl der überwiegend jüdischen Opfer betrug ca. 145.000 Menschen. Im Frühjahr 1944 wurde die Vernichtungsstätte wieder in Betrieb genommen und ca. 7.000 Jüdinnen und Juden aus Łódź ermordet. Dann wurde sie abgewickelt und die Spuren beseitigt.
Dachau (Deutschland): Konzentrationslager im Gau München-Oberbayern. Das erste KZ des NS-Regimes wurde schon kurz nach der „Machtergreifung“ auf dem Gelände und unter Nutzung der Infrastruktur einer ehemaligen Munitionsfabrik am 22.3.1933 eröffnet und bestand bis zur Befreiung durch die US-Armee am 29.4.1945. Das KZ Dachau war die Keimzelle eines ständig wachsenden Systems der Freiheitsberaubung, der Misshandlung und Vernichtung, ein pseudolegales Instrument der Repression, das unter der Herrschaft der SS stand.
Geschichte: In Dachau wurde unter anderem eine modellhafte hierarchische Organisationsstruktur, an deren Spitze der allmächtige Lagerkommandant stand, und die Personalrekrutierung und -schulung entwickelt; des Weiteren die Differenzierung und Hierarchisierung der Häftlinge nach rassistischen Kategorien (gekennzeichnet durch die verschiedenfarbigen „Winkel“ auf der Häftlingskleidung) und ihre Degradierung zu Nummern, ein System der „Häftlingsselbstverwaltung“ einschließlich der Rolle der so genannte. „Funktionshäftlinge“, die von der SS mit Machtbefugnissen gegenüber ihren Mithäftlingen sowie Privilegien ausgestattet wurden (zumeist waren es kriminelle Häftlinge); der typische Tages- und Wochenablauf; und eine „Disziplinar- und Strafordnung“. Erprobt wurden auch exemplarische Methoden der Tötung; im Krankenrevier wurden medizinische Experimente an Häftlingen vorgenommen. Dazu kam die Nutzung billiger Arbeitskraft, mittels derer die KZs später zur wirtschaftlichen Basis der SS wurden. Arbeitsausbeutung und Repression wurden in der „Vernichtung durch Arbeit“ kombiniert. Jüdische Häftlinge befanden sich durchgängig auf der untersten Stufe und wurden bevorzugte Opfer des Terrors.
Funktionen: Am KZ Dachau lässt sich der Funktionswandel bzw. die Funktionserweiterung der KZs im Laufe von 12 Jahren NS-Herrschaft exemplarisch nachvollziehen. Zunächst diente das KZ zur Ausschaltung und Unterdrückung der politischen Gegner (insbesondere der Kommunist_innen). Ab 1934 wurde die „Schutzhaft“ auf „Volksschädlinge“ (Bettler, Landstreicher, „Zigeuner“, „Arbeitsscheue“ etc.) ausgedehnt, dann allgemein auf Kriminelle und „Asoziale“. Ins Visier der Repression gerieten auch Zeugen Jehovas und Homosexuelle. Juden gerieten in das KZ-System durch Verletzung von für sie spezifischen Straftatbeständen („Rassenschande“) oder in Verbindung mit anderen Zuweisungsgründen (z.B. Homosexualität). In großer Zahl wurden sie erstmals im Gefolge der „Reichskristallnacht“ (Novemberpogrome 1938) nach Dachau deportiert. Dabei kamen mehr als 10.000 jüdische Häftlinge, davon knapp 4.000 allein aus Wien; ab Kriegsbeginn 1939 waren es vor allem Widerstandskämpfer aus den besetzten Gebieten, insbesondere aus Polen, Frankreich und der Sowjetunion. Mit dem Zusammenbruch der „Blitzkriegstrategie“ im Winter 1941/42 änderte sich die Funktion nochmals deutlich: Dachau wurde wie andere KZs vermehrt Teil der Kriegsökonomie, indem immer mehr Menschen aus den besetzten Gebieten, insbesondere aus Polen und der Sowjetunion, in die KZs zur Zwangsarbeit deportiert wurden. Im Zuge dieser Entwicklung wurden in Dachau wie in vielen anderen KZs vermehrt Außenlager eingerichtet. Jüdische Häftlinge waren eine kleine Minderheit; erst gegen Kriegsende, als ständig neue Transporte aus aufgelösten KZs im Osten eintrafen, stieg ihr Anteil deutlich an. Das Lager war hoffnungslos überfüllt, die Lebensbedingungen verschlechterten sich in katastrophalem Ausmaß. Schließlich wurde das KZ Dachau ebenfalls geräumt; knapp 9.000 Häftlinge wurden in Marsch gesetzt, begleitet von SS-Kommandos, die die zurückbleibenden geschwächten Häftlinge massenhaft ermordeten (daher der Begriff „Todesmärsche“). Zugleich brach im Stammlager ein Häftlingsaufstand aus, der schnell niedergeschlagen wurde. In Dachau waren insgesamt mindestens 200.000 Häftlingen inhaftiert, von denen etwa 41.500 nicht überlebten.
Flossenbürg (Deutschland): Konzentrationslager im „Gau Bayrische Ostmark“, unmittelbar an der Grenze zur ehemaligen Tschechoslowakischen Republik gelegen. Bestimmend für die Standortwahl des KZ waren die reichen Granitvorkommen. Bestand von Mai 1938 bis zum 23.4.1945 (Befreiung durch die US-Armee). Funktion (ähnlich wie Mauthausen): Ausbeutung der Häftlinge für die wirtschaftlichen Interessen der SS (Herstellung von Baustoffen – Steinbruch; Ziegelei). Die ersten Häftlinge waren mehrheitlich als „kriminell“ und „asozial“ eingestuft und aus anderen KZs überstellt worden; diese Gruppe blieb trotz ihres abnehmenden Anteils die dominante in der Häftlingshierarchie. Ab 1940 Zunahme der politischen und ausländischen Häftlinge (v.a. polnische, dann sowjetische Kriegsgefangene); gezielte Tötungsaktionen (Ausrottung des „bolschewistischen Feindes“). Mit dem Scheitern der „Blitzkriegsstrategie“ im Osten gewannen ab 1943 die kriegswirtschaftlichen Interessen (Rüstungsproduktion; auch in zahlreichen Außenlagern) die Oberhand, konterkariert von den anhaltend schlechten Lagerbedingungen und der rassistischen Ideologie. Ende 1944 wurde das KZ zum Auffanglager; in Folge kam es zu einem starken Anstieg der Häftlingszahlen, zu Chaos und Massensterben. 1945 erfolgte die Evakuierung, die verbliebenen Häftlinge wurden auf „Todesmärsche“ geschickt (siehe KZ Dachau). Insgesamt waren über 100.000 Häftlinge in Flossenbürg interniert; mehr als 30.000 von ihnen kamen ums Leben.
Groß-Rosen (Rogoznica, Polen): Konzentrationslager im „Gau Niederschlesien“. 1940 als Nebenlager des KZ Sachsenhausen errichtet, ab Mai 1941 eigenständig. 100 Außen- bzw. Nebenlager. Anfang 1945 evakuiert; Befreiung durch die sowjetische Armee am 13.2.1945. Funktion: Vernichtung durch Arbeit im nahen Steinbruch – härteste Bedingungen, hohe Sterblichkeit. Später auch Arbeit für die Rüstungsindustrie. Zielgruppen: Zunächst politische Häftlinge, „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ aus dem Deutschen Reich, später vornehmlich sowjetische und polnische Häftlinge. 1944/45 Überstellungen aus anderen Lagern – darunter viele jüdische Häftlinge aus Ungarn und Polen. Insgesamt ca. 120.000 Häftlinge, davon etwa die Hälfte jüdischer Herkunft; ca. 40.000 ermordet oder zu Tode geschunden.
Gurs (Frankreich): Internierungslager im Süden Frankreichs. Eingerichtet von der französischen Regierung im April 1939; bestand bis November 1943. Funktion: Ursprünglich errichtet zur Internierung politischer Flüchtlinge aus Spanien und ehemaliger internationaler Kämpfer im Spanischen Bürgerkrieg. Von Anfang an prägten Hunger, katastrophale hygienische Bedingungen und Krankheiten die Situation. Die Unterbringungsbedingungen waren sehr primitiv. Nach der Kriegserklärung an Deutschland 1939 wurden auch vor den Nazis Geflohene aus Deutschland und Österreich als Staatsbürger einer feindlichen Nation inhaftiert. Nach der Kapitulation Frankreichs am 22.6.1940 ließ der letzte französische Militärkommandant die spanisch-republikanischen Internierten entkommen, die in der französischen Bevölkerung untertauchten. In Folge wurde das Lager schließlich von der Vichy-Regierung übernommen. Ab Oktober 1940 Aufnahme von ca. 6.500 aus Südwestdeutschland deportierten Juden, von denen ca. 2.000 im Lager starben. Die Überlebenden sowie weitere Gegner des NS-Regimes wurden ab August 1942 in das KZ und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verschleppt und dort größtenteils ermordet.
Hartheim (Alkoven) (Österreich): Tötungsanstalt in einem Schloss im „Gau Oberdonau“. Funktion: Von Mai 1940 bis 1. September 1941 Euthanasieanstalt im Rahmen der „Aktion T4“: Ermordung von mehr als 18.000 als „lebensunwert“ definierten behinderten und psychisch kranken Menschen in einer Gaskammer (sogenannte „Krankenmorde“). Jüdische Kranke und Pflegebedürftige hatten eine erhöhte Chance, im Rahmen der Aktion ermordet zu werden: Sie wurden umfassender erfasst, weil sie in öffentliche Anstalten zu überstellen waren; und es genügt bei jüdischen Pfleglingen die „Diagnose Jude“, um der Ermordung zugeführt zu werden. Unmittelbar nach der abrupten Beendigung der Aktion T4 aufgrund von Protesten und Unruhe in der Bevölkerung wurden nicht mehr arbeitsfähige und politisch missliebige Häftlinge aus dem KZ Mauthausen in Hartheim ermordet (Aktion 14f13), in Summe ca. 12.000 Menschen bis Dezember 1944.
Izbica (Polen): Ghetto in einer polnischen Kleinstadt im okkupierten „Generalgouvernement“. Bestand ab April 1940 bis zur Auflösung am 28.4.1943. Das Ghetto hatte keine bewachte Umzäunung, aber auf das Verlassen des Ghettos ohne Genehmigung stand die Todesstrafe. Funktion: Erfassung und Isolierung der jüdischen Bevölkerung der Region; Einsatz zur Zwangsarbeit; später auch Zielort von Deportationen aus dem Deutschen Reich. Zeitweise lebten über 19.000 Menschen im Ghetto, das zuvor von lediglich 4.500 Menschen bewohnt war. Funktion ab 1942: Durchgangsghetto in die Vernichtungslager Belzec und Sobibor. Aus Wien erfolgten von April bis Juni 1942 vier Transporte nach Izbica mit insgesamt 4.006 Personen. Das persönliche Schicksal der einzelnen Deportierten ist überwiegend nicht rekonstruierbar. Bei der Auflösung des Ghettos wurden die verbliebenen ca. 1.000 Jüdinnen und Juden erschossen.
Jasenovac (Kroatien): Konzentrationslager im von Deutschland und Italien gestützten, faschistisch-nationalen „Unabhängigen Staat Kroatien“. In dem neuen Staat lebten 6,3 Mio Menschen, darunter 1,9 Mio Serben_innen und ca. 39.000 Jüdinnen und Juden. Terror und Vernichtung gegenüber diesen Minderheiten einschließlich der Roma-Bevölkerung waren integraler Bestandteil der Ideologie der kroatischen Untergrundorganisation „Ustascha“. Zwischen 1941 und 1945 wurden mehr als 50 Lager verschiedenen Typs errichtet. In Jasenovac an der Save wurde der größte Lagerkomplex errichtet; er bestand von Ende 1941 bis April 1945. Funktionen: Sammel-, Zwangsarbeits- und Vernichtungslager, nach deutschem Vorbild konzipiert, eines der größten in ganz Europa – auch als „Auschwitz des Balkans“ bezeichnet. In Jasenovac bestand das einzige Vernichtungslager im vom Deutschen Reich kontrollierten Europa, in dem ohne deutsche Beteiligung planmäßig und grausam gemordet wurde. Die Opfer starben durch Folter, Prügel, Erstechen, Erschlagen, Krankheiten und Verhungern. Zur Tötung von Kindern wurde auch Gas eingesetzt. Die hauptsächlichen Opfergruppen waren die serbische, jüdische und Roma-Bevölkerung, weiters Regimegegner, darunter auch Kroaten und bosnische Muslime. In den letzten Tagen des Bestehens des KZ gelang einigen wenigen Häftlingen die Flucht, alle anderen wurden ermordet. Die Zahl der in Jasenovac getöteten Menschen war lange Zeit Gegenstand politisch-propagandistischer Manipulationen. Seriöse Quellen sprechen von 70.000 bis 90.000 Opfern; darunter waren etwa 17.000 Jüdinnen und Juden.
Jungfernhof (Lettland): Lager in einem Gutshof nahe Riga. Bestand zwischen 1941 und 1944. Funktion: Behelfsmäßiges Lager für Transporte von Jüdinnen und Juden aus dem „Großdeutschen Reich“ ins „Reichskommissariat Ostland“. Insgesamt wurden fast 4.000 Menschen nach Jungfernhof deportiert. Für diese Menschenmassen fehlten zunächst selbst die einfachsten Unterbringungsvoraussetzungen. Viele Deportierte starben an Krankheiten, Hunger und Erschöpfung; ein großer Teil wurde ermordet, ein kleinerer in andere Ghettos oder Lager transferiert. Einige wurden zur Arbeit eingesetzt und wenige überlebten.
Kaiserwald/Riga (Lettland): Konzentrationslager in Riga mit zahlreichen Außenlagern. Errichtet im Frühjahr 1943. Bestand bis zur Evakuierung im Sept. 1944. Funktion: Sammellager für alle noch verbliebenen arbeitsfähigen baltischen Jüdinnen und Juden nach der Auflösung aller baltischen Ghettos. Vernichtung durch Schwerstarbeit und menschenverachtende Behandlung. Vor der Räumung Beseitigung der Massengräber durch jüdische Arbeitskommandos, deren Mitglieder danach ermordet wurden. Bei der Räumung wurden die weiblichen Häftlinge ins KZ Stutthof im „Gau Danzig“ verlegt, die männlichen weiter ins Reichsinnere, die nicht mehr arbeits- oder transportfähigen erschossen. In Summe überlebten etwa 1.000 von den einst ca. 70.000 lettischen Jüdinnen und Juden.
Kielce (Polen): Ghetto im okkupierten „Generalgouvernement“. Bestand von 03/1940 bis 08/1944. Ab März 1941 war es ein geschlossenes Ghetto mit bis zu 27.000 Bewohner_innen. Funktion: Erfassung der jüdischen Bevölkerung der Region, Isolierung und Zwangsarbeit; später auch Zielort von Deportationen aus dem Deutschen Reich. Die Häftlinge mussten Zwangsarbeit im Ghetto und in Steinbrüchen leisten. Später war das Ghetto ein Transitstation auf dem Weg in das Vernichtungslager Treblinka. 1941/42 brach eine Typhusepidemie mit ca. 6.000 Toten aus. Im August 1942 wurden ca. 21.000 Personen von Kielce nach Treblinka in den Tod geschickt. Von Wien nach Kielce erging ein Transport mit insgesamt 1010 Personen am 19.2.1941. Bei der Auflösung kam es zu Deportationen in die KZs Auschwitz und Buchenwald.
Kaunas/Kowno (Litauen): Zunächst Ghetto, später Konzentrationslager im okkupierten „Reichskommissariat Ostland“. Eingerichtet im Sommer 1941 nach dem Beginn des „Russland-Feldzugs“ nach anfänglich „wilden“ Pogromen unter Beteiligung der litauischen Zivilverwaltung. Funktion: Räumliche Konzentration zur Arbeitsausbeutung und späteren Vernichtung. Im Ghetto fehlte es an den grundlegendsten Voraussetzungen zum Überleben. Bis Ende 1941 wurden ca. 140.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder ermordet. Kaunas war eigentlich kein Zielort für Deportationen aus dem Deutschen Reich und dem „Protektorat Böhmen und Mähren“. Dennoch wurden ca. 5.000 Juden aus diesen Gebieten dorthin deportiert und unmittelbar nach Ankunft erschossen. Darunter fällt auch der aus Wien ergangene Transport am 23.11.1941 mit 995 Personen, bestimmt für Riga, aber nach Kaunas umgeleitet. Bis August 1943 erfolgte ein etappenweiser Übergang vom Ghetto zu einem KZ mit zahlreichen Außenlagern und zunächst noch ca. 17.000 jüdischen Häftlingen. Räumung ab 8. Juli 1944 vor der heranrückenden Roten Armee. Bei deren Eintreffen fand sie noch 90 Überlebende vor.
Łódź/Litzmannstadt (Polen): Ghetto im annektierten „Gau Wartheland“. Bestand von 1940 bis August 1944 (erstes Großstadtghetto). Funktion: Sammel- und Transitlager. Nach Flucht und Deportation von ca. 70.000 jüdischen Bewohnern lebten im Ghetto zunächst rund 150.000 Jüdinnen und Juden aus Łódź; ab Herbst 1941 wurden zusätzlich mindestens 20.000 Personen aus dem Warthegau, dem „Altreich“, der „Ostmark“, dem „Protektorat Böhmen und Mähren“ und Luxemburg nach Łódź deportiert. Aus Wien ergingen im Oktober 1941 insgesamt 5 Transporte mit insgesamt 4.995 jüdischen Personen. Im November 1941 folgte die Deportation von ca. 5000 österreichischen Roma und Sinti (sie starben überwiegend durch eine Epidemie). Zwischen 01 und 05/1942 wurden ca. 55.000 Ghetto-Bewohner_innen nach Chelmno zur Ermordung transportiert. Weitere 20.000, insbesondere Kinder, wurden im September 1942 ermordet. Bei der Auflösung ab Mai 1944 wurden ca. 7.000 Juden nach Chelmno und ca. 70.000 nach Auschwitz deportiert und sofort ermordet.
Majdanek/Lublin (Polen): Konzentrationslager im okkupierten „Generalgouvernement“ mit einigen Besonderheiten: Bautätigkeit fast während der gesamten Bestandsdauer von 10/1941 bis 07/1944; 1944 Evakuierung; nur teilweise gelungene Zerstörung. Große Pläne für eine Funktion als Militär- und Wirtschaftsbasis der SS. Tatsächlich diente das Lager anfänglich vor allem für die Inhaftierung und später für die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung der Region, aber auch aus anderen okkupierten Ländern und sogar aus dem Deutschen Reich; ab 1943 zunehmend auch politischer Häftlinge. Die wirtschaftliche Bedeutung blieb gering. Die Lebensbedingungen waren durchgängig katastrophal. Massenmorde, vor allem an jüdischen Häftlingen, erfolgten zunächst durch Erschießungen, später in Gaskammern (Einbeziehung in die “Aktion Reinhardt“, siehe Belzec). Die geschätzten Opferzahlen liegen bei insgesamt ca. 80.000, davon waren ca. 60.000 Jüdinnen und Juden aus ganz Europa.
Maly Trostinec (Weißrussland): Tötungsstätte im okkupierten „Reichskommissariat Ostland“ in der Nähe von Minsk. Bestand von Frühjahr 1942 bis 1944. Funktion: Die ehemalige Kolchose war ab Mai 1942 Tötungsstätte für deportierte Juden und Jüdinnen. Der erste Zug kam aus Wien an – die Deportierten wurden direkt vom Bahnhof zu den vorbereiteten Erschießungsstätten in den Wäldern geführt. Zwischen 11.5. und 9.10.1942 trafen insgesamt 16 Deportationszüge ein, davon 9 aus Wien mit insgesamt 8.472 Personen sowie 5 Züge aus Theresienstadt (in denen auch 143 jüdische Österreicher_innen deportiert wurden). Zur Ermordung wurden ab Juni 1942 auch Gaswagen (Erstickungstod) eingesetzt. Die Massenmordaktionen betrafen in Folge vor allem „arbeitsunfähige“ Bewohner des Ghettos Minsk. Die geschätzten Opferzahlen schwanken beträchtlich, als relativ gesichert gilt die jüdische Opferbilanz von ca. 30.000 Menschen. Im Gelände wurde zusätzlich ein landwirtschaftliches Zwangsarbeitslager betrieben; von Anfang bis Mitte 1944 wurden in diesem schwer bewachten Lager auch Mordaktionen an Gefängnisinsassen und „Partisanen“ ausgeführt.
Mauthausen und Gusen (Österreich): Konzentrationslager im „Gau Oberdonau“, in Betrieb ab August 1938. Bildete mit dem KZ Gusen (eröffnet Mai 1940) eine Art Doppellager. Ausschlaggebend für die Standortwahl waren die vielen Granitsteinbrüche in der Region. Befreit am 5. Mai 1945 durch die US-Armee.
Funktionen: Zunächst stand die politische Funktion im Vordergrund: Mauthausen war ein „KZ für die Volksverräter“, so Gauleiter Eigruber am 28.3.1938. Überstellt wurden zu Beginn ca. 1.000 vorwiegend als „kriminell“ oder „asozial“ eingestufte österreichische und deutsche Häftlinge aus den KZs Dachau und Sachsenhausen, erst später stieg die Zahl politischer Häftlinge, wobei die als „kriminell“ kategorisierten Häftlinge lange Zeit dominierten, d.h. privilegierte Positionen besetzten. Die Verbindung von politischem Terror, Unterversorgung und Zwangsarbeit führte zur “Vernichtung durch Arbeit”. Entsprechend war die Häftlingssterblichkeit im KZ Mauthausen/Gusen höher als in anderen KZs. Die zentrale SS-Führung ordnete zudem die Ermordung bestimmter Häftlingsgruppen an; davon betroffen waren nicht zuletzt jüdische Häftlinge und sowjetische Kriegsgefangene (insbesondere Kommissare). Mauthausen und Gusen fungierten auch als Orte außergerichtlicher Hinrichtungen. Die Mordaktionen wurden ab August 1941 durch die Massentötung geschwächter und kranker Häftlinge in der ehemaligen „Euthanasieanstalt“ Hartheim (siehe dort) verschärft. Ab Frühjahr 1942 war im KZ Mauthausen eine Gaskammer in Betrieb, in der mindestens 3.455 Häftlinge ermordet wurden. Auch ein Gaswagen war im Einsatz, in dem mindestens 900 Häftlinge ermordet wurden. Schließlich war das KZ Mauthausen auch ein Ort für medizinische Experimente an Häftlingen, die vielfach mit dem Tod endeten.
Schon ab 1940 wurden Häftlinge aus anderen Ländern nach Mauthausen überstellt; die Internationalität nahm in Folge ständig zu, u.a. durch Zuweisungen sowjetischer Kriegsgefangener. Ab Mitte des Krieges wurde die Arbeitsausbeutung für die Kriegswirtschaft (Rüstungsproduktion) bestimmend, was zu einer teilweisen Lockerung des Lagerregimes führte. Aus dem Stammlager Mauthausen entwickelte sich so ein komplexes, arbeitsteiliges, für zehntausende Häftlinge tödliches Netz von 45 Außenlagern, teilweise mit großen unterirdischen Anlagen. Die Häftlingszahl stieg von Anfang 1943 bis Oktober 1944 von ca. 14.000 auf ca. 73.000. Ab 1944 wurden auch Frauen aufgenommen (bereits zuvor waren für Häftlingsbordelle Frauen aus dem KZ Ravensbrück überstellt worden). In den letzten Bestandsmonaten wurden zusätzlich Häftlinge aus evakuierten KZs im Osten nach Mauthausen transportiert, darunter viele Jugendliche und Kinder, sodass sich die Haftbedingungen noch einmal dramatisch verschärften. Insgesamt waren im Lagerkomplex Mauthausen ca. 190.000 Menschen inhaftiert, von denen ca. 90.000 nicht überlebten.
Minsk (Weißrussland): Ghetto im okkupierten „Reichskommissariat Ostland“. Einrichtung im Gefolge des „Russlandfeldzugs“ ab Juli 1941; Auflösung im Herbst 1943 – die noch verbliebenen Häftlinge wurden ermordet oder in jüdische Zwangsarbeitslager transferiert. Funktion: Zunächst Ghetto für 70.000 einheimische Jüdinnen und Juden; periodische Massenerschießungen. Ab Herbst 1941 auch Deportationsziel für zunächst ca. 25.000 deutsche, österreichische und tschechische Jüdinnen und Juden. Aus Wien erging ein Transport am 28.11.1941 mit 999 Personen. Vorübergehenden Stopp auf Grund von Widerständen aus der Wehrmacht (Transportkapazitäten) und der lokalen Besatzungsbehörden (Ernährungslage). Wiederaufnahme der Deportationen im Frühjahr 1942 mit dem Ziel der sofortigen Ermordung (die Mordstätte war im nahen Maly Trostinec vorbereitet worden). Ermordung der meisten Ghettobewohner ebendort oder im Vernichtungslager Sobibor. Das weitere Schicksal der aus Wien in das Ghetto Deportierten ist unbekannt.
Mittelbau-Dora (Deutschland): Konzentrationslager im Gau Thüringen, das letztgegründete NS-KZ. Bestand von 28.8.1943 an, zunächst als Außenlager des KZ Buchenwald, ab 28.10.1944 als eigenständiges KZ mit ca. 40 Außenlagern bis zur Befreiung durch die US-Armee am 11.4.1945. Funktion: Mittelbau-Dora war eines der ersten und am Ende das weitaus größte KZ, das ausschließlich für die Ausbeutung der Arbeitskraft von Häftlingen für die Rüstungsproduktion betrieben wurde. Dabei ging es zunächst um die Untertag-Verlagerung der Raketenproduktion, nachdem ein schwerer britischer Luftangriff auf Peenemünde nicht nur zahlreiche Todesopfer gefordert hatte, sondern auch die Herstellung der neuen V-Raketenwaffen (V = Vergeltung) in Gefahr gebracht hatte. In Mittelbau sollte eine bestehende Stollenanlage von Häftlingen des nahen KZ Buchenwald erweitert werden. Die Arbeits- und Lebensbedingungen in den Stollen, in denen die Häftlinge durchgängig lebten, übertrafen an Schrecken fast alles, was diese bis dorthin erlitten hatten: Ständiger Lärm, Staub und giftige Dämpfe, katastrophale sanitäre Verhältnisse, Gestank, Schlafentzug, mangelhafte Ernährung, völlig unzureichende Arbeitskleidung und extrem kräftezehrende Arbeitsbedingungen führten in wenigen Wochen zur vollständigen Erschöpfung, zu Krankheiten und Arbeitsunfällen. Ärztliche Versorgung gab es kaum. Die Sterblichkeit war entsprechend hoch. – Der Beginn der Raketenmontage ab Anfang 1944 führte zu einer Trennung von „Bauhäftlingen“ und „Produktionshäftlingen“; für letztere wurden teils hochqualifizierten Häftlinge, die aus vielen KZs überstellt worden waren, eingesetzt, die nicht in gleicher Weise ausgebeutet und terrorisiert werden sollten. Für sie wurden daher oberirdische Unterkünfte errichtet und ihre Versorgungslage war deutlich besser. Sie blieben eine Minderheit, denn mit der Untertag-Ansiedlung weiterer Rüstungsbetriebe wurden neuerlich umfangreiche Bauarbeiten notwendig. Nach dem Kalkül der SS waren die „Bauhäftlinge“ problemlos ersetzbar. Man musste sich daher nicht um deren Gesundheit und Leben bemühen. Trotz hoher Sterberaten wuchs die Häftlingszahl weiter. Bei der Verselbständigung des KZs lag der Häftlingsstand bei ca. 32.500. Er erhöhte sich bis April 1945 trotz außerordentlich hoher Sterberaten auf ca. 50.000, u.a. durch die Evakuierung der KZs Auschwitz und Groß-Rosen. Gegen Ende wurden viele Häftlinge Opfer von Misshandlungen und Tötungen Als schließlich auch das KZ Mittelbau-Dora evakuiert werden musste, wiederholten sich dabei die brutalen Umgangsweisen anderer sogenannter „Todesmärsche“. In den 18 Monaten des Bestandes wurden insgesamt ca. 60.000 Häftlinge aus 48 Nationen nach Mittelbau-Dora deportiert, ca. 20.000 von ihnen starben infolge der Arbeits- und Lebensbedingungen. Die größten Häftlingsgruppen stellten sowjetische, polnische und französische Häftlinge. Jüdische Häftlinge, überwiegend aus Ungarn, kamen erst in der Spätphase infolge der Evakuierungen anderer KZs nach Mittelbau-Dora und wurden ebenso wie Roma und Sinti den berüchtigten „Baulagern“ zugewiesen. Noch ein bemerkenswerter Aspekt der vermehrten Zwangsarbeit in den vielen Außenlagern: Sie führte zu einem „Hineinwachsen“ des KZ-Systems in die Gesellschaft, das zunehmend zu den Alltagserfahrungen der Zivilbevölkerung gehörte. Die allgegenwärtige Repression, die Ablehnung von Fremden und die Angst vor den als „Schwerverbrecher“ titulierten Häftlingen führte dabei zumeist zu einer komplizenhaften Identifikation mit den Tätern.
Modliborzyce (Polen): Ghetto im okkupierten „Generalgouvernement“. Bestand von April 1941 bis 8.10.1942. Funktion: Absonderung und Isolierung sowie Zwangsarbeit in umliegenden Arbeitslagern. Bei der Auflösung Erschießungen vor Ort und Verbringung der restlichen Bewohner_innen in die Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka. Aus Wien erfolgte ein Transport am 5.3.1941 mit insgesamt 981 Personen.
Natzweiler-Struthof (Schirmeck, Frankreich): „Straf- und Arbeitslager“ im Gau „Oberrhein“ im annektierten Elsass. Bestand von 1.5.1941 bis 23.11.1944; dann Evakuierung der Mehrzahl der Häftlinge auf rechtsrheinisches Gebiet; Weiterbestand der Außenlager bis April 1945. Funktion: Zwangsarbeit für gigantische NS-Bauvorhaben, u.a. in Steinbrüchen, später für die Rüstungsindustrie. Medizinische Experimente an Häftlingen. Ca. 52.000 Häftlinge aus ganz Europa waren insgesamt in Natzweiler-Struthof, ca. 22.000 Personen wurden ermordet, starben an Krankheiten, Kälte und Mangelernährung.
Neuengamme (Deutschland): Konzentrationslager im Gau Hamburg. Errichtet 1938 als Nebenlager des KZ Sachsenhausen, ab 1940 eigenständig; später ca. 90 Außenlager. Bestand bis kurz vor Kriegsende. Funktion: Die Gründung ging auf die Interessen der Hamburger NS-Parteiführung bezüglich monströser Bauvorhaben zurück: Vertrag mit dem SS-Unternehmen Deutsche Stein- und Erdwerke, basierend auf der extremen Ausbeutung der Arbeitskraft der Häftlinge für die am Gelände befindliche Ziegelei. In späteren Phasen gewann die Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie und militärische Anlagen zunehmend an Bedeutung. Die Arbeitsausbeutung erfolgte unter den Bedingungen unzureichender Ernährung und Bekleidung, katastrophaler hygienischer Verhältnisse und mangelnder Krankenversortung. Die Gleichung „Arbeitsfähigkeit = Existenzberechtigung“ führte u.a. zu gezielten Tötungen von kranken und entkräfteten Häftlingen. Auch medizinische Experimente wurden durchgeführt. Von den insgesamt ca. 100.000 im Laufe des Bestands des KZs Inhaftierten kamen nur ca. 10% aus dem Deutschen Reich, ca. 90% aus den besetzten Gebieten (diese waren inhaftiert wegen Widerstands gegen die Besatzer, als Vergeltungsmaßnahme, aus rassischen Gründen). Die ausländischen Häftlinge wurden von der SS rassenideologisch eingestuft: Sowjetische und slawische Häftlinge hatten besonders geringe Überlebenschancen. Für alle jüdischen Häftlinge wurden die Haftbedingungen noch weiter verschärft bzw. waren sie besonderen Schikanen ausgesetzt. Kleine Widerstandsgruppen bildeten sich vorwiegend anhand von nationaler Zugehörigkeit. Ihnen gelangen insbesondere Rettungsaktionen von akut bedrohten Mitgefangenen. – Ab Ende März 1945 begann die Räumung der Außenlager: Zielorte der Fußmärsche (für viele waren es „Todesmärsche“) waren „Auffanglager“, in denen Tausende durch Hunger und Krankheit zugrunde gingen. Die ca. 10.000 noch im Stammlager befindlichen Häftlinge wurden auf überfüllte Frachtschiffe evakuiert. Bei Angriffen von britischen Jagdbombern, die die Schiffe für Truppentransporter hielten, kamen fast 7.000 Häftlinge ums Leben. Im Stammlager wurden die Spuren der Verbrechen weitgehend vernichtet. Im Lagerkomplex Neuengamme verstarben insgesamt mindestens ca. 50.000 Inhaftierte infolge der Lebens- und Arbeitsbedingungen, durch gezielte Ermordung und bei der Lagerauflösung.
Nisko am San (Polen): Geplantes Lager eines zu schaffenden „Judenreservats“ im okkupierten „Generalgouvernement“; bestand von Oktober 1939 bis Frühjahr 1940. Funktion: Nach dem Überfall auf Polen forcierte die nationalsozialistische Führung Überlegungen zu Bevölkerungstransfers im großen Stil: Westpolnische Gebiete sollten germanisiert, Juden und Polen nach Osten verdrängt werden. Adolf Eichmann wurde beauftragt, Massendeportationen zu erproben. Zu diesem Zweck wurden 6 „Juden-Transporte“ zusammengestellt; die im Gebiet von Nisko am San (Region Lublin) ein Judenreservat (Barackenlager) errichten sollten. Darunter waren auch zwei Transporte aus Wien, in denen Ende Oktober 1939 1.584 jüdische Männer nach Nisko deportiert wurden. Nach Ankunft wurde ein großer Teil der Deportierten unter Schüssen davongejagt („gestreut“). Ein Teil des Lagers wurde errichtet, die Idee eines Judenreservats war aber bereits hinfällig. Ein dritter Transport scheiterte an Einwänden von Wehrmacht und der Besatzungsverwaltung. Die Mehrheit der Deportierten wurde über die deutsch-sowjetische Demarkationslinie getrieben oder flüchtete selbst dorthin. Sie starben in sowjetischen Lagern, wurden später von deutschen Einsatzgruppen an Ort und Stelle ermordet oder in die Vernichtungslager überstellt. 198 der aus Wien deportierten Männer kehrten sogar wieder zurück, die meisten wurden später noch einmal deportiert.
Opatów und Łagów (Polen): Benachbarte Städte im okkupierten „Generalgouvernement“. Ghettos von April 1941 bis Oktober 1942. Funktion: Erfassung der regionalen jüdischen Bevölkerung; Zwangsarbeit; Aufnahme deportierter Jüdinnen und Juden aus dem Deutschen Reich. Sommer 1941: Typus-Epidemie durch Überfüllung und schlechte hygienische Bedingungen. Bei der Auflösung wurden ca. 6.000 Personen aus Opatów in das Vernichtungslager Treblinka überstellt, ca. 500 bis 600 in das Arbeitslager Sandomierz. In Lagów Erschießungen von Alten, Kranken und Kindern vor Ort; ca. 2.000 Personen nach Treblinka überstellt. Von Wien erging am 12.3.1941 ein Transport mit 995 Personen nach Opatów, davon wurden 100 nach Lagow geschickt.
Opole (Polen): „Offenes“ Ghetto im okkupierten „Generalgouvernement“ mit bis zu 8.000 Bewohner_innen. Bestand von März 1941 bis Oktober 1942. Funktion: Erfassung, Isolierung, Zwangsarbeit; später Transitlager für Transporte in die Vernichtungslager Belzec (März 1942) und Sobibor (Mai und Oktober 1942). Aus Wien ergingen zwei Transporte (15.2. und 26.2.1941) mit insgesamt 2.045 Personen.
Piaski (Polen)*: Ghetto im okkupierten „Generalgouvernement“, eingerichtet ab April 1940, aufgelöst ab November 1942. Funktion: Erfassung und Isolierung; Transitort; Zwangsarbeit. Zunächst Deportationsort für polnische Juden vornehmlich aus Lublin, bereits im Feb 1940 Deportationen aus Stettin; ab März 1942 mehrere Deportationszüge aus dem Deutschen Reich und dem Ghetto Theresienstadt. Unbeschreiblich schlechte Lebensbedingungen (Wohnraum, hygienische Verhältnisse, Ernährung etc). Zur „Entlastung“ Transfer polnischer Ghettobewohner in die Vernichtungslager Belzec und Sobibor. Bei der Auflösung wurde ein Teil der Männer in das Zwangsarbeitslager Trawniki (siehe dort) überstellt. Noch in Piaski befindliche Ghettobewohner_innen wurden 1943 erschossen.
Ravensbrück (Deutschland): Konzentrationslager für Frauen im „Gau Brandenburg“. Errichtet ab November 1938, Belegung ab Mai 1939, geplant für 3.000 Frauen; später Ergänzung durch zahlreiche Außenlager und ein kleines Männerlager mit überstellten Häftlingen. Räumung ab 27.4.1945. Funktionen: Dauerhafte Ausgrenzung von diskriminierten „Rassen“ (Roma-Frauen, Jüdinnen u.a. wegen „Rassenschande“), politischen Gegnerinnen, Zeuginnen Jehovas, „kriminellen“ und „asozialen“ Frauen. Jüdinnen wurden isoliert und waren besonderer Willkür und Misshandlungen ausgesetzt. Später wurde das Lager durch Mordaktionen und Transferierungen in Vernichtungslager „judenfrei“ gemacht. Ab Kriegsbeginn Internationalisierung der Zusammensetzung. Gegen Ende zunehmende Überfüllung (01/1944: 17.300; 12/1944: 43.700 Häftlinge). Zwangsarbeit für den Lagerbetrieb und Ausbau; Herstellung von Häftlingskleidung; später Arbeit für die Rüstungsindustrie. Männliche Häftlinge wurden vor allem für Bauarbeiten eingesetzt. Nicht mehr arbeitsfähige Personen wurden ausgesondert und u.a. in einer Gaskammer ermordet. Medizinische Experimente. Widersprüchliche Situation vor/bei der Auflösung: Einerseits einzigartige Rettungsaktion des Internationalen Roten Kreuzes (Abkommen mit Himmler persönlich), durch die mehrere tausend Frauen gerettet wurden; andrerseits „Todesmärsche“.
Rejowiec (Polen): Ghetto im okkupierten „Generalgouvernement“. Bestand von Anfang 1941 bis Juli 1943. Funktion: Transitghetto in das Vernichtungslager Sobibor; später auch Ermordungen in einer Gaskammer vor Ort. Neben polnischen wurden vor allem tschechische und slowakische Juden und Jüdinnen nach Rejowiec deportiert. Bei der Auflösung wurden die verbliebenen Häftlinge in das KZ Majdanek überstellt.
Riga (Lettland): Ghetto im okkupierten „Reichskommissariat Ostland“. Funktion: Absonderung und Ermordung. Eingerichtet von den deutschen Besatzern im Oktober 1941 für 40.000 einheimische Jüdinnen und Juden, von denen unmittelbar nach der Einrichtung des Ghettos ca. 35.000 von deutschen Spezialeinheiten und lettischen Hilfspolizisten bei Massenerschießungen in den umliegenden Wäldern ermordet wurden. So schuf man Platz für die aus dem Deutschen Reich und dem Protektorat eintreffenden Deportationszüge (in Summe ca. 25.000 Menschen, von denen nur ca. 1.000 überlebten). Aus Wien ergingen 4 Transporte zwischen 3.12.1941 und 6.2.1942 mit insgesamt 4.188 Personen. Die Deportierten mussten Zwangsarbeit für die deutsche Kriegswirtschaft leisten; Nicht (mehr) Arbeitsfähige wurden laufend selektiert (=ermordet). Ab Juli 1943 Überstellung der Verbliebenen in das KZ Kaiserwald, ca. 2.000 bis 2500 Alte, Kranke und Kinder wurden sofort zur Ermordung in das KZ Auschwitz überstellt.
Šabac und Sajmište (Serbien): Zusammen mit Niš bildeten Šabac und Sajmište die drei bedeutendsten Lager im von Deutschland besetzten Serbien. Sie wurden im Herbst 1941 eingerichtet und bestanden bis Sommer 1944. Das ehemalige Messegelände Sajmište liegt im Belgrader Stadtteil Semlin, Šabac liegt an der Save westlich von Belgrad und Nis im Südosten Serbiens. Hauptsächliche Funktion aller drei Lager: Sie dienten zunächst vornehmlich der Vernichtung der ca. 17.000 Jüdinnen und Juden und der Roma-Bevölkerung Serbiens. In Sajmište wurden bereits im Winter 1941/42 fast alle männlichen Juden und Roma im Rahmen von Erschießungsaktionen getötet, die bewusst mit den Vergeltungsmaßnahmen im Zuge der Partisanenbekämpfung verbunden wurden. Die Ermordung der noch lebenden Männer sowie der Frauen und Kinder wurde mit eigens aus Deutschland überstellten Gaswägen durchgeführt. Im August 1942 wurde die „endgültige Lösung der Juden- und Zigeunerfrage“ nach Berlin gemeldet. Danach fungierte das Lager als Sammel- und Durchgangslager für politische Gegner. Für das Schicksal österreichischer Jüdinnen und Juden wurden beide Lager im Zusammenhang mit dem so genannten Kladovo-Transport bedeutsam. Im November 1939 verließ ein Transport mit rund 1.200 jüdischen Flüchtlingen Wien auf einem Donauschiff in Richtung Palästina, das zunächst im Hafen von Kladovo und dann im Hafen von Šabac festsaß. Nur etwa 200 Jugendlichen gelang im März 1941 die Flucht nach Palästina. Der Rest wurde am 20. Juli 1941 im KZ Šabac interniert. Im Verlauf der erwähnten Vergeltungsmaßnahmen wurde ein großer Teil der männlichen Flüchtlinge im Oktober 1941 von deutschen Wehrmachtseinheiten erschossen. Die restlichen Männer sowie die Frauen und Kinder wurden später in das benachbarte KZ Sajmište gebracht und – soweit sie nicht an Hunger und Kälte gestorben waren – zwischen März und Mai 1942 in Gaswägen ermordet.
Sachsenhausen (Deutschland): Konzentrationslager der Reichshauptstadt Berlin. Bestand von 1936 bis zur Auflösung am 21.4.1945. Funktionen: Das KZ Sachsenhausen übernahm vom KZ Dachau die Leitfunktion für das KZ-System (eine Folge der Verschiebung des politischen Machtzentrums von München nach Berlin), indem es die innere Gewalt und die Abschottung nach außen systematisierte und im Rahmen von Baumaßnahmen die charakteristische räumliche und funktionale Trennung von Kommandatur, Kasernen, Häftlingslager und Werkstätten etablierte. Es wurde neu geplant und errichtet und im Juni 1938 durch die Einlieferung von 6.000 Häftlingen in den Regelbetrieb genommen. Darüber hinaus hatte es in mehrfacher Hinsicht einen Sonderstatus: Es war u.a. Ausbildungsstätte für KZ-Kommandanten und das Bewachungspersonal sowie allgemein für SS-Kader; es diente der Erprobung neuer Vorschriften und Mordtechniken (zB. einer „Genickschussanlage“); von dort wurden weitere KZs (insbesondere Buchenwald) aufgebaut. Funktionswandel der Zwangsarbeit: Von Versorgungsarbeiten für das KZ und die SS hin zu Arbeiten für Bauvorhaben bis zur Einbindung in die Rüstungsindustrie. Dazu wurden zahlreiche Außenlager und -kommandos eingerichtet. Die Häftlinge waren zunächst vornehmlich politische Gegner, dann zunehmend Angehörige der als rassisch und/oder sozial minderwertig erklärten Gruppen (Juden, Homosexuelle, „Zigeuner“, „Asoziale“), Zeugen Jehovas und ab 1939 zunehmend Bürger der besetzten Staaten Europas. Gewalt und Terror nahmen über die Jahre zu. Besonders betroffen waren davon jüdische Häftlinge. Auch wurden im Lager grausame medizinische Experimente an Häftlingen durchgeführt. Bei der Auflösung des Lagers kam es zu „Todesmärschen“.
Salaspils (Lettland): Haftstätte bei Riga im okkupierten „Reichskommissariat Ostland“. Aufbau ab September 1941 durch ca. 2.800 deportierte deutsche, österreichische und tschechische Juden. Die Sterblichkeit infolge mangelnder Ernährung und Hygiene, schwerer Arbeit und drakonischer Strafen war erheblich. Funktion ab Herbst 1942: Verrichtung von Zwangsarbeit. Zielgruppen: Zunächst Arbeitsverweigerer, dann zunehmend politische Häftlinge aus Lettland, ab dem Winter 42/43 Internierungswelle als Folge der Partisanenbekämpfung (v.a. Frauen und Kinder); später auch sowjetische Kriegsgefangene. Bei der Auflösung im September 1944 wurden die verbliebenen Insassen in das KZ Stutthof („Gau Danzig“) transferiert. Insgesamt waren in Salaspils ca. 12.000 Personen inhaftiert, die geschätzte Opferzahl liegt bei 2.000 bis 3.000 Menschen.
San Sabba/Triest (Italien): Die ehemalige Reismühle (Risiera) und spätere Kaserne wurde zu einem von insgesamt vier Haft- und Durchgangslagern für politische Gegner und Juden, die nach dem italienischen Waffenstillstand mit den Alliierten vom 9.9.1943 im de facto vom deutschen Militär, SS und Polizei kontrollierten, formal weiter von den Faschisten unter Mussolini regierten Oberitalien eingerichtet wurden. Die anderen Lager waren Fossoli (Provinz Modena), das unter italienischer Kontrolle stand und von wo mindestens 2.500 Jüdinnen und Juden deportiert wurden; nach dessen Auflösung wegen alliierter Bombenangriffe wurde im Sommer das Lager Bozen-Gries errichtet. Hier waren in knapp einem Jahr des Bestehens mehr als 11.000 Häftlinge interniert, ca. 300 kamen ums Leben. Borgo San Dolmazzo in Piemont diente im Herbst 1943 kurzzeitig als Haft- und Durchgangslager für italienische und ausländische Jüdinnen und Juden, die nach Auschwitz deportiert wurden. San Sabba, das von deutschem KZ-Personal geführt wurde, war das repressivste dieser vier Lager und lässt sich am ehesten mit deutschen KZs vergleichen. Funktion: Repression von politischen Gegnern (Folter, Hinrichtungen); Durchgangslager vor allem für aufgegriffene italienische und nach Italien geflüchtete bzw. hier gestrandete ausländische Jüdinnen und Juden, die vornehmlich in das KZ Auschwitz deportiert wurden. 1944 war es auch Zwischenstation für kroatische Jüdinnen und Juden auf dem Transport nach Auschwitz. In San Sabba waren in den eineinhalb Jahren seines Bestehens insgesamt 7.000-8.000 Personen inhaftiert, von denen mindestens 2.000 zu Tode kamen.
Sobibór (Polen): Eines von drei Vernichtungslagern der „Aktion Reinhardt“ im okkupierten „Generalgouvernement“ neben Belzec und Treblinka (Für eine ausführlichere Charakterisierung vgl. die Ausführungen zu Belzec). Im Mai 1942 in Betrieb genommen; Auflösung nach einem Häftlingsaufstand am 14.10.1943. Insgesamt bis zu 250.000 Opfer, darunter mindestens 167.000 Jüdinnen und Juden, davon mindestens 10.000 aus dem „Altreich“ und der „Ostmark“. Aus Wien erging ein direkter Transport am 16.6.1942 mit 996 Personen. Ende Juli 1942 kam es zu einer Unterbrechung der Mordaktionen wegen Geleise-Reparaturen. In dieser Zeit wurde die Kapazität der Gaskammern verdoppelt. Die Wiederaufnahme der Massenmorde erfolgte im Oktober 1942 (u.a. Ermordung französischer und niederländischer Juden).
Stutthof (Sztutowo, Polen): Konzentrationslager auf dem Gebiet der annektierten Stadt Danzig („Gau Danzig-Westpreußen“). Bestand von 2.9.1939 bis Anfang Mai 1945 (letztes KZ auf besetztem polnischen Teritorium). Zunächst der Zivilverwaltung unterstellt, ab 1.10.1941 der Gestapo, erst ab 29.1.1942 Konzentrationslager. Funktionen: Zunächst Liquidierung der polnischen Eliten, später Zwangsarbeit für die Kriegswirtschaft (mehr als 200 Außenlager!), dabei auch radikale Veränderung der nationalen Zusammensetzung der Häftlinge. Ab Juli 1944 kam es zu einem starken Anstieg der jüdischen Häftlinge aufgrund der Evakuierung von östlicher gelegenen KZs und Lagern. Die Lebensbedingungen waren absolut unzureichend, die Sterblichkeit sehr hoch. Auch wurden jüdische Insassen gezielt ermordet, u.a. in Gaskammern. Ab 29.1.1945 erfolgte die Evakuierung; „Todesmärsche“ nach Westen. Insgesamt ca. 110.000 Menschen aus 28 Nationen waren in Stutthof interniert, die Zahl der Opfer liegt bei ca. 65.000 Opfer (rund 40% jüdischer Herkunft).
Theresienstadt (Terezin, Tschechien): Jüdisches Ghetto in der alten österreichischen Festungsstadt und dem späteren tschechischen Militärstützpunkt im okkupierten „Protektorat Böhmen und Mähren“. Eingerichtet im November 1941 nach vorheriger Absiedelung der tschechischen Zivilbevölkerung (ca. 7.000 Einwohner). Befreiung am 5.5.1945 durch die Rote Armee. In der „Kleinen Festung“ war schon seit Juni 1940 eine Filiale des berüchtigten Prager Gestapogefängnisses eingerichtet, das vor allem gegen den tschechischen Widerstand operierte (Folter und Hinrichtungen); hier waren auch mindestens 1216 Juden inhaftiert, von denen 465 starben.
Funktionen des Ghettos: Anfänglich war es Sammel- und Durchgangslager für den Großteil der ca. 88.000 Jüdinnen und Juden des Protektorats. Tatsächlich wurden mehr als 70.000 nach Theresienstadt deportiert (das war eine Verzehnfachung der ursprünglichen Einwohnerzahl; die Unterbringung erfolgte großteils in ehemaligen Kasernen. Den Betroffenen wurde es zunächst als dauerhafte „Umsiedlung“ präsentiert. Eine jüdische Selbstverwaltung unter Kontrolle der SS wurde etabliert. Ab Juni 1942 wurden auch Jüdinnen und Juden aus dem „Altreich“ und der „Ostmark“ nach Theresienstadt deportiert (in Summe ca. 50.000), später auch aus Dänemark, Holland, Polen und Ungarn; zuvor schon waren die ersten Transporte (zunächst von tschechischen Juden) in Ghettos und später in Vernichtungslager „im Osten“ abgegangen. Theresienstadt war ein Ort, der mit keinem anderen Ghetto oder Lager vergleichbar war: Unter den dorthin deportierten deutschen und österreichischen Jüdinnen und Juden waren viele ältere, „prominente“ und „verdiente“ Personen (wie z.B. Weltkriegsteilnehmer mit Auszeichnungen). Die Lebensbedingungen waren zwar deutlich besser als in den polnischen Ghettos, die Unterkünfte, die hygienischen Bedingungen, die Ernährung und die Krankenversorgung waren dennoch sehr dürftig, verschärft durch die allgemeine Arbeitspflicht (u.a. in Außenlagern). Aber es gab deutlich mehr Möglichkeiten der kulturellen, pädagogischen und religiösen Praxis als in anderen Ghettos/Lagern.
Theresienstadt fungierte als Mittel der zynischen Propaganda und gezielten Täuschung der Weltöffentlichkeit und auch als Pfand für „Tauschgeschäfte“ mit den Alliierten. Die Täuschung der internationalen Öffentlichkeit gelang bei einem vorbereiteten Besuch des IRK im Juni 1944 und einem weiteren im April 1945. An der Täuschung beteiligt war auch ein Propagandafilm („Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“). Bis heute wird die Wahrnehmung von Theresienstadt durch diese Täuschungsmanöver verzerrt. Insbesondere wird damit auch ein unverstellter Blick auf das härtere Schicksal der in Theresienstadt internierten tschechischen Jüdinnen und Juden erschwert. Insgesamt wurden ca. 140.000 jüdische Menschen nach Theresienstadt deportiert; im Ghetto verstarben ca. 33.500 Menschen, 88.000 wurden in Vernichtungslager deportiert, bei der Befreiung lebten in Theresienstadt noch ca. 17.000 Insassen. Aus Wien gingen 13 große Transporte (Juni bis Oktober 1942) und mehrere kleine Transporte (Jan 1943 bis März 1945) nach Theresienstadt, mit insgesamt 15.122 Personen; von ihnen überlebten 1298 im Ghetto [Anm. In der gleichen Quelle – Hecht et al. – werden an anderer Stelle 1318 genannt].
Ab Anfang 1943 bis Mai 1944 wurden immer wieder Transporte von Theresienstadt in das KZ Auschwitz durchgeführt, in Summe wurden ca. 25.000 deportiert, darunter ca. 4.000 österreichische Jüdinnen und Juden. In Auschwitz wurden sie überwiegend (ca. 17.500 Personen) nicht selektioniert, sondern in das „Theresienstädter Familienlager“ eingewiesen und – soweit arbeitsfähig – zu schwerer Arbeit eingeteilt. Periodisch kam es zu Massentötungen in den Gaskammern. In diesem Lagerabschnitt des KZ Auschwitz erlebten 1.167 Häftlinge die Befreiung.
Trawniki (Polen): SS-Ausbildungslager (für nicht-deutsches Personal) und Zwangsarbeitslager im okkupierten „Generalgouvernement“ auf dem Gelände einer alten Zuckerfabrik. Die „Ausbildung“ (hauptsächlich von ukrainischen Kriegsgefangenen) bezog sich vor allem auf die Mitwirkung bei großen Deportationen und Ghettoräumungen, bei Erschießungsaktionen, bei der Ermordung der Jüdinnen und Juden in den Vernichtungslagern und bei Objektbewachungsaufgaben. Die insgesamt 4.000 bis 5.000 „Trawiknis“ waren geführt, kontrolliert und bewacht von SS, SD und deutscher Polizei. In Berichten von Überlebenden wurden sie oft als besonders grausam beschrieben (Mögliche Ursachen: Verbreiteter Antisemitismus; Anpassung; Eigennutz, als ausführende Organe der SS besonders sichtbar). Im Zwangsarbeiterlager waren vorwiegend sowjetische Kriegsgefangene und polnische Juden. Ab Herbst 1943 wurde Trawniki als Außenlager dem KZ Majdanek unterstellt. Bei dessen Auflösung im November wurden ungefähr 6.000 jüdische Arbeiter erschossen.
Treblinka (Polen): Eines von drei Vernichtungslagern der „Aktion Reinhardt“ im okkupierten „Generalgouvernement“ neben Belzec und Sobibor (Für eine ausführlichere Charakterisierung vgl. die Ausführungen zu Belzec). Treblinka wurde ab April 1942 unter Berücksichtigung der Erfahrungen von Belzec und Sobibor hinsichtlich des Transports und der Tarnung errichtet. Bestand bis Herbst 1943. Zwischen 23.7.1942 und 29.8.1943 wurden mindestens 900.000 Jüdinnen und Juden, u.a. 329.000 aus dem Warschauer Ghetto, und Tausende Sinti und Roma ermordet. Nach Treblinka führten auch fünf Transporte aus Theresienstadt im Oktober 1942, bei denen auch 3.100 österreichische Jüdinnen und Juden deportiert wurden. Ein Häftlingsaufstand am 2.8.1943 beschleunigte die Auflösung des Lagers.
Wien – Am Spiegelgrund* (Wien/Österreich): Jugendfürsorgeanstalt auf dem Anstaltsgelände der Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof“ mit 600 Betten; Teilung in ein Erziehungsheim und eine „Nervenheilanstalt für Kinder“ inkl. Kinderfachabteilung. Bestand von 24.7.1940 bis 30.6.1945. Der dafür notwendige Raum war durch die Morde an psychiatrischen Patienten im Rahmen des T4-Euthanasieprogramms freigeworden. Funktionen der Fachabteilung: Begutachtung, Selektion, medizinische Versuche und Ermordung von „bildungsunfähigen“ Kindern und Jugendlichen. Mindestens 789 Morde überwiegend durch Schlafmittelüberdosierung und durch verhungern lassen sind nachgewiesen. Da alle jüdischen Patient_innen in öffentlichen Anstalten unterzubringen waren und bei jüdischen Pfleglingen keine weiteren Differenzierungen gemacht wurde, ist von einer erhöhten Todesrate unter jüdischen Kindern und Jugendlichen auszugehen.
Wlodawa (Polen): Offenes Ghetto im okkupierten „Generalgouvernement“. Eingerichtet im Jänner 1941, aufgelöst im Oktober 1942. Funktion: Erfassung, Isolierung, Zwangsarbeit; später Ermordung bzw. Deportation zur Vernichtung. Mai 1942: Ermordung von 500 alten Menschen; 24.10.1942: mehr als 6.000 Personen in das Vernichtungslager Sobibor transferiert. Im Nov. 1942 wurden ca. 500 Arbeitskräfte durch SS-Truppen ermordet. Aus Wien erging ein Transport am 27.4.1942 mit 998 Personen.
Zamosc (Polen): Ghetto im okkupierten „Generalgouvernement“; Kriegsgefangenenlager für sowjetische Soldaten; mehrere Haftstätten für die polnische Zivilbevölkerung (berüchtigt v.a. die Rotunde von Zamosc als Ort von Massenerschießungen von Repräsentanten der polnischen Elite und des polnischen Widerstands). Das Ghetto bestand von Frühjahr 1941 bis November 1942. Funktion: räumliche Konzentration, Isolierung, Zwangsarbeit der lokalen jüdischen Bevölkerung; dann Deportationsziel für deutsche Jüdinnen und Juden. Bei der Auflösung wurden die Bewohner_innen in das Ghetto Izbica und von dort in die Vernichtungslager Belzec und Sobibor deportiert.