Eröffnung der neuen „Stationen der Erinnerung“ im Alsergrund am 4. Mai 2008

Mitten in der Rossau, einem Viertel, in dem vor 1938 die Hälfte der Bevölkerung aus jüdischen Familien stammte, fand auf dem Platz der Servitenkirche unsere Eröffnungsveranstaltung statt.

Sehr viele Angehörige nahmen an dieser für sie so bedeutenden feierlichen Eröffnung teil. Drei Familien reisten eigens aus Israel an.

Bezirksvorsteherin Martina Malyar, die selbst die Patenschaft für einen Stein der Erinnerung übernommen hat, stellte die Bedeutung der Vergangenheitsbewältigung in den Mittelpunkt ihrer flammenden Rede.

Verdrängen und vergessen war lange die Bearbeitungsform unserer meisten Politiker. So wurden die Opfer damals wieder zu Opfern und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Täter kaum zur Verantwortung gezogen wurden. Wir Jüngeren müssen uns verpflichtet sehen, unseren Beitrag zu leisten und mir als Vertreterin der Folgegeneration ist das nicht Pflicht, sondern tiefes Bedürfnis.“

Peter Schwarz von ESRA bezeichnete in seiner Rede die „Steine der Erinnerung“ als „besonders wertvollen Beitrag zur Aufarbeitung der in dieser Stadt verübten Verbrechen, weil es die Auseinandersetzung mit der Geschichte als Basis und als Resultat hat.

Franzi Heidenreich erzählte die Geschichte ihrer Mutter. Regina Rosenzweig war kein politischer Mensch und sie begriff erst nach der Reichspogromnacht, wie lebensbedrohlich die Lage war. Sie schaffte es nicht mehr, die nötigen Ausreisepapiere vor dem Ausbruch des Krieges zusammen zu bekommen. Danach war dann jede Möglichkeit versperrt, Österreich zu verlassen. Franzi Heidenreich, die als 15 Jährige nach England flüchten konnte, hatte ihr mithilfe von Freunden sogar eine Stelle als Haushälterin verschafft. In einem der letzten Briefe schrieb Regina Rosenzweig an ihre Tochter: „Schwalberl, du bist mir aus dem Nest gefallen.“

Vally Steiner (zweite von links) in der Grundlgasse 5 vor dem Haus, in dem ihre Großeltern und ihr Vater gelebt haben.

Vally Steiner, die Enkelin von Valerie und Heinrich Steiner, erzählte, dass ihr Vater, Herbert Steiner, im Alter von 15 Jahren – zusammen mit einem Freund – über Holland nach England geflüchtet sei. Seine Eltern hatten weder die finanziellen Mittel, Österreich zu verlassen noch fand sich trotz intensivster Bemühungen ein Land, das sie aufgenommen hätte.

Herbert Steiner hat es nie verwunden, dass es ihm nicht gelungen war, seine Eltern zu retten. Er hat sein Leben der Aufarbeitung der Geschichte gewidmet und das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands gegründet. Vally Steiner trägt den Namen ihrer Großmutter.

Walter(Ephraim) Blotner in der Mitte, rechts von ihm seine Tochter und seine Frau, in der Liechtensteinstraße 73. Herr Blotner, Jahrgang 1921, hat mit seinen Eltern und seiner Schwester in diesem Haus gelebt. Ihm gelang noch in letzter Minute die Flucht.

Sholem, sholem, soll sein Frieden, sholem – war das Schlusslied des Duos „Sholem alejchem“, das mit seiner wunderschönen Musik alle begeisterte und die Anwesenden zum Mitsingen einlud.

Die anschließende Begehung war äußerst berührend. Bei jeder Station erzählten Angehörige über das Schicksal ihrer Lieben. Ariel Avriel-Sheffer sprach das jüdische Totengebet für seine Großeltern und seine Tanten.

Ariel Avriel Sheffer (rechts) mit Bezirksvorsteherin Martina Malyar, Elisabeth Ben David-Hindler und Albert Slavik von der Bezirkskulturkommission vor dem Haus Grünentorgasse 19,in dem drei Großtanten von ihm gelebt haben.